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Trotz des sonnigen Wetters waren jedoch nur wenige Gondeln auf dem Wasser und unsere beiden warteten noch auf uns. Schnell war der Preis für die Boote bezahlt und kurz hintereinander ruderten unsere Gondolieri auf den See hinaus. Erstaunlicherweise war es hier nicht mal so kalt wie gedacht, immerhin waren wir unter herbstlicher Sonne unterwegs. Unser Ruderer hatte gut zu tun, das mit fünfzehn Gästen gefüllte Boot über den See zu schippern. Aber wie er später sagte, war das Wetter für ihn jetzt perfekt, während im Hochsommer heiße Temperaturen herrschten und der Schweiß in Strömen lief - bei ihm und auch bei seinen Gästen.

Nachdem wir den See überquert hatten und etwa dort angekommen waren von wo uns die erste unserer Fähren auf die Roseninsel übergesetzt hatte, begann der Ruderer uns etwas über die Geschichte der Gartenlandschaft zu erzählen. Diese war in der zweiten Hälfte des 18. Jh. als frühester Landschaftsgarten in Mitteleuropa unter Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) entstanden. Ideen dafür hatte sich der Fürst auf seinen Reisen nach England, Itailen, Holland, Frankreich und in die Schweiz geholt. Mit seinem Freund Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und anderen studierte er unter Winckelmann die antike Baukunst. Für die Gärten waren Johann Leopold Ludwig Schoch, dessen Sohn Johann George, Johann Christian Neumark, Johann Friedrich Eyserbeck und Augusz Leopold Wöpke zuständig. Die Gestaltung der Anlagen begann 1764. Der See auf dem wir unterwegs waren ist keineswegs künstlich angelegt worden. Er ist eigentlich einer der Seitenarme der Elbe, die wir bei unserer Fahrt nach Wörlitz überquert hatten. Geschützt von Deichanlagen überstand das Gartenreich die Elbflut von 2002 und auch die von 2013 nahezu unbeschadet, obwohl die Deiche durchweicht waren.
Schon von Beginn an konnten alle Teile der Anlagen und auch das Schloss besichtigt werden. Ausnahmen bildeten einzig das Graue Haus und die Roseninsel, die der Fürstin und späteren Herzogin Luise Prinzessin von Brandenburg-Schwedt als Rückzugsorte dienten. Von Beginn an hatte das Gartenreich  auch Bildungsauftrag, der sich über Architektur, Gartenkunst und auch Ackerbau erstreckte.

   

Wir fuhren an verschiedenen Sichtachsen vorüber, die der Park bot, wobei im Hintergrund immer ein anderes Gebäude zwischen den Bäumen auftauchte. Der Ruderer meinte, dass der Park mit verschiedenen Kanälen durchzogen ist, die jedoch zur Zeit nicht befahren werden konnten, da sie entschlammt würden. Dieser Umstand war überaus schade, denn über die Kanäle waren Brücken gebaut worden, wobei keine der anderen glich. Da gab es eine chinesische Brücke, eine venezianische oder auch eine Zugbrücke, die wir nun nicht sehen konnten. Nach einer fünfundvierzigminütigen Runde auf dem See vorbei an der englischen Fassade des Gothischen Hauses, anderen architektonischen Leckerbissen und herbstlicher Natur gingen wir an der Gondelstation wieder an Land.

Von dort war es nicht weit bis zur Schlosstreppe, wo die Führungen durch den Park beginnen sollten. Wir waren wieder etwas später dran und nach kurzer Suche waren die beiden Gästeführerinnen gefunden. Vor uns lag jetzt eine Stunde Spaziergang durch den Park. Inzwischen hatte der kalte Wind etwas zugenommen und die Führung begann im Schatten der Bäume am Schloss. Zwei der alten Linden stammten noch aus der Zeit des Fürsten Franz, was man am mächtigen Stamm der alten Bäume sehen konnte. Die Führung fand, wie in Wittenberg, in zwei Gruppen statt. Zunächst erfuhren wir etwas über das Schloss selbst, den Gründungsbau des deutschen Klassizismus. Nebenan steht das Küchengebäude, dass durch einen unterirdischen Gang mit dem Schloss in Verbindung stand. Die Gästeführerin bezweifelte, wegen dem beträchtlichen Abstand der Gebäude, dass die Speisen heiß bis zur Tafel des Fürsten gelangten.

Sichtachse Graues Haus
Vesuv Gothisches Haus

Unsere nächste Station war der Bereich zwischen der St. Petri Kirche und dem Grauen Haus, dem Gebäude der Fürstin. Das Gebäude stand leer vor uns und wartete darauf restauriert und wieder genutzt zu werden. Auf der Wiese zwischen dem Geauen Haus, der Kirche und dem Küchengebäude erinnerte ein Sarkophag an den Kirchhof. Die Gebeine, die hier bei der Umgestaltung gefunden worden waren, wurden darunter bestattet. Von hier gingen wir hinunter zum See mit schönen Ausblicken in verschiedene Sichtachsen. Von ihnen gab es zahlreiche, die jedoch heute nur zum Teil vom Bewuchs freigehalten  werden, da der Pflegeaufwand ziemlich hoch ist.
Wir gelangten an die Synagoge, die nach römischem Vorbild errichtet worden war. Sie ist mit seinem unter dem Betraum befindlichen Ritualbad und der gesamten Raumanordnung einzigartig in Europa. Von hier aus hatten wir freie Sicht auf die Felseninsel „Stein“. Im Frühjahr 1766 hatte der Fürst Neapel besucht und einen harmlosen Ausbruch des Vesuvs miterlebt. Dieses Naturereignis sollte auch sein Volk kennenlernen. Er ließ schließlich den Golf von Neapel in Wörlitz nachbauen mit dem Vesuv als Bestandteil. Alle paar Jahre wird der Ausbruch mittels Pyrotechnik nachgestellt und man kann einen herrlichen Abend im Gartenreich erleben, meinte die Gästeführerin. Wir folgten von hier dem Ufer des Sees und machten noch einmal Halt an einer der Sichtachsen. Von hier war auch die Wolfsbrücke zu sehen, hinter der sich der Wolfskanal befand. Der Name stammte vom ehemaligen Besitzer der Flur, dem der Fürst das Land abgekauft hatte. Nach einer kurzen Strecke endete die Führung in der Nähe des Schlosses und wir verabschiedeten uns von der Gästeführerin.

Es blieb uns noch eine Dreiviertelstunde für den Besuch der Souvrnirgeschäfte und zum Besuch eines Kaffees. Etwas verspätet traten wir gegen 17:00 Uhr unsere Rückfahrt an. Überpünktlich waren wir jedoch um 19:30 Uhr in Hochstedt zurück.

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