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Die dritte Stadt, die wir am 03. Juni 2010 besichtigen wollten war zugleich die größte im Städteverbund, der sogenannten Dreistadt, nämlich Gdansk. Früher hieß diese Stadt Danzig und ist auch unter diesem 'Namen noch immer bekannt. In Gdansk, der Hauptstadt der Woiwodschaft Pommern,  leben etwa 450.000 Einwohner. Die Stadt erhielt zu Anfang des 13. Jahrhunderts das Stadtrecht und musste sich am Anfang des 14. Jahrhunderts gegen Eindringlinge aus Brandenburg zur Wehr setzen. Sie baten die Ritter des Deutschen Ordens um Hilfe, die die Eroberer erfolgreich vertrieben. Nach dem Streit um die Kosten dieser Hilfe übernahm der Deutsche Orden Danzig. Der Widerstand gegen die neuen Herrscher innerhalb der Stadt wuchs, wie die Stadt selbst. Sie wurde trotz oder gerade wegen der Ordensbrüder im Jahr 1361 ein Mitglied der Hanse.

Die Herrschaft der Ordensritter endete in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und die Stadt unterstand seit dieser Zeit dem Polnischen König. Interessant ist, dass im Jahr 1706 hier in Danzig, sowie in Königsberg (seit 1701) im Auftrag des ersten Preußenkönigs Friedrich I., mit der Herstellung des legendären Bernsteinzimmers begonnen wurde.

Mit kurzen Unterbrechungen stand Danzig vom Ende des 17. Jahrhunderts an bis 1919 unter preußischer Herrschaft. 1920 wurde sie zu einem unabhängigen Staat erklärt, der Freien Stadt Danzig, die unter Aufsicht des Völkerbundes (Polen und Briten) stand.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt zum Großteil zerstört, danach jedoch (teilweise nach historischen Vorlagen) wieder aufgebaut.

Danzig rückte durch die Streiks der Danziger Werften 1970 und zu Beginn der 1980er Jahre in den Mittelpunkt weltweiten Interesses. Mit der Gründung der Gewerkschaft Solidarność unter Führung von Lech Wałęsa begann das Ende der kommunistischen Herrschaft und der Niedergang des Eisernen Vorhangs in Europa.

 

Fahrt nach Danzig

Der Übergang von der einen zur anderen Stadt war kaum spürbar. Sopot und Gdansk waren zu einer Stadt verschmolzen, die wohl verschiedene Zentren hat. Auf unserem Weg in das Stadtzentrum von Gdansk fuhren wir an manchen großen Gebäuden vorüber, wie an der Kathedrale des Zisterzienserordens im Stadtteil Oliva, aber auch an merkwürdigen Dingen, wie an einem blau angestrichenen, abgestorbenen Baum. In einem Äußeren Stadtbezirk erklärte uns Jan Klatt, dass wir gerade am Wohnsitz von Lech Wałęsa vorüber fahren würden.

Kathedrale von Oliva Wohnsitz von Lech Wałęsa
Das Hohe Tor - ein Stadttor von Gdansk Blick ins Zentrum

Die Fahrt ging vorüber am Hohen Tor, einem der Stadttore von Gdansk. Ab und an konnten wir schon einen Blick ins Stadtzentrum werfen, dass wir schon bald erreicht hatten. Herr Klatt lotste den Bus in die Nähe des Zentrums, wo wir ausstiegen.

Ausstieg in Zentrumsnähe

Hier gab es jedoch schon einige Verweigerer, die nach zwei Städten nicht mehr laufen konnten und sich auch nichts mehr ansehen wollte. Sie blieben am Bus und wollten auf uns warten.

 


 

Dabei war es nicht mehr weit in das historische Stadtzentrum von Danzig. Wir gingen etwa 400 Meter, hatten von dort schon eine herrliche Sicht über den Kanalarm hin zum berühmten Krantor. Herr Klatt lief voran und schwenkte dabei ein an einem Regenschirm festgebundenes Plüsch-Herz als Erkennungszeichen in der Luft. Es war wirklich nicht weit bis zu einem Tor, welches uns in das Zentrum führte. Hier wurde uns schlagartig wieder bewusst, dass heute ein Feiertag begangen wurde (Fronleichnam) und dass viele Leute an diesem arbeitsfreien Tag unterwegs waren, ganz abgesehen von Touristen, wie wir, die sich die Stadt ansehen wollten.

Erkennungszeichen Krantor an der Mottlau
Im Stadtzentrum angekommen

Jan Klatt hatte uns angekündigt, uns einige Zeit zu lassen, damit wir etwas essen konnten. Zu diesem Zweck gab es unzählige kleine Kneipen und Bars, die mit ihren Angeboten lockten. Die Gruppe teilte sich und jeder suchte sich ein freies Plätzchen um Kräfte zu tanken. Nach einer Stunde trafen wir uns gesättigt und zur Stadtführung bereit wie verabredet am Neptunbrunnen in der Fußgängerzone, dem langen Markt.

Neues Rathaus Markttor
Krchentürme und Bürgerhäuser

Von hier führte uns Jan Klatt zielstrebig durch enge Gassen, vorbei an den Fassaden der Bürgerhäuser zu dem Geschäft eines Bernsteinschleifers. Das Gold der Ostsee wird hier zu Schmuckstücken verarbeitet und wir konnten dem Meister über die Schultern sehen. Wir erfuhren allerlei rund um die Bearbeitung von Bernstein und wie man das versteinerte Baumharz von Fälschungen aus Glas unterscheiden kann.

Erstaunt waren wir als der Meister uns erklärte, dass Bernstein in starkem Salzwasser schwimmt. Er demonstrierte die Schwimmfähigkeit des Bernsteins mithilfe eines Wasserglases.

In der Bernsteinschleiferei
Bernstein

Es gab selbstverständlich die Möglichkeit Bernsteinschmuck zu kaufen, was auch einige Gruppenmitglieder nutzten. Durch das Suchen und Verhandeln in der Schleiferei verzögerte sich die weitere Besichtigungstour. Gleich in der Nähe war nämlich der Eingang zur wohl größten Kirche von Danzig, der Marienkirche.


 

Als jeder, der wollte seinen Schmuck nun endlich in der Tasche hatte betraten wir die Marienkirche. Sie zählt mit ihrer Länge von über 100 Metern und der Breite des Querschiffs von fast 70 Metern zu den größten Backsteinkirchen der Welt. In Ihrem Inneren finden 25.000 Menschen Platz. Der 78 Meter hohe Hauptturm beherbergt eine Aussichtsterrasse.

Mit dem  Bau wurde in der Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen. Vollendet wurde die Kirche mit einem Erweiterungsbau im Jahr 1502. Nach der Reformation wurde die Kirche von Protestanten und Katholiken gleichermaßen genutzt. Später nur noch von der lutherischen Gemeinde. Bis 1945 war die Danziger Marienkirche die größte evangelische Kirche der Welt. Während der Eroberung der Stadt durch die Rote Armee wurde die Kirche stark beschädigt und viele Kunstschätze gingen verloren. Der Dachstuhl brannte aus, einige Gewölbebogen brachen zusammen und alle Fenster gingen zu Bruch. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die nun wieder katholische Kirche in den Rang einer Basilika erhoben.

Marienkirche Innenraum
Orgel

Schon der 30 Meter hohe Innenraum beeindruckte durch seine Reinheit, denn er war völlig in Weiß gehalten. Um so mehr traten die viele Altäre, Gemälde, Schnitzereien und Skulpturen in den Vordergrund, aber auch das Stern- und Netzgewölbe. Jan Klatt erzählte viel über die Kirche und deren Geschichte. Er hatte zu jedem Altar und jedem Bildnis eine Geschichte zu erzählen.

Blick in den Westchor zur Orgel Astronomische Uhr

Es gab aber noch mehr in der Kirche zu sehen. So stand im Querschiff die 14 Meter hohe astronomische Uhr aus der Werkstatt des Hans Düringer aus Thorn. Sie wurde im 15. Jahrundert hergestellt und zeigt zahlreiche astronomische Sachverhalte, wie den Stand der Sonne und des Mondes im jeweiligen Sternzeichen, die Mondphasen und einen Heiligenkalender. Sie soll bis 1553 in Betrieb gewesen sein und in dieser Zeit nur drei Minuten nachgegangen sein. Zur damaligen Zeit war sie die größte Uhr der Welt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde mit dem näherrücken der Ostfront die Uhr abgebaut und in der Nähe der Stadt versteckt. In den 1980er Jahren wurde mit der Rekonstruktion der Uhr begonnen, die sich als nicht nur kompliziert, sondern auch kostspielig herausstellte. Fehlende Teile wurden ergänzt und die Uhr konnte 1990 wieder an ihren ursprünglichen Platz aufgestellt und nach über 400 Jahren in Gang gebracht werden.

 


 

 

Ein weiteres unübersehbares Detail in der Kirche war die Orgel im Westchor. Sie wurde zwar schon zwischen 1625 und 1629 gebaut, jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg von der Johanneskirche in die Marienkirche gebracht.

Zahlreiche Grabplatten an den Wänden erinnerten an die in der Kirche bestatteten Patrizier der Stadt.

In einem Nebenraum konnte wir das berühmte Triptychon „Das jüngste Gericht“ des Brügger Malers Hans Memling bewundern. Das dreiteilige Altar-Bildnis war eine Auftragsarbeit der Familie Medici, die eigentlich für Florenz bestimmt war. Auf einer Kaperfahrt im Jahr 1473 wurde es aus einem britischen Schiff erbeutet und von einem der Schiffseigner, dem Bürgermeister von Danzig Reinhold Niederhoff, der Marienkirche übereignet. Dieser Raub und die Schenkung verursachten längere diplomatische Verwicklungen, in die sich sogar der Papst einschaltete. Francesco della Rovere, der als Sixtus IV. auf dem Papstthron in Rom saß, drohte Danzig sogar mit dem Kirchenbann.

Das Triptychon wurde später durch Napoléon Bonaparte nach Paris in den Louvre geschafft und hing nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sankt Petersburger Eremitage.

In der Marienkirche
Triptychon von Memling
Rückweg durch die Frauengasse

Langsam war es an der Zeit die Kirche zu verlassen. Jan Klatt führte uns durch eine Straße, die parallel zum Langen Markt verlief. Zahlreiche kleine Händler boten dort ihre Waren an, vorwiegend Schmuck aus Bernstein, jedoch auch andere Andenken. Typisch für diese Straße waren die vorgebauten Treppen und Terrassen, die zu den Eingängen der Häuser hinauf führten. Den Abschluss der Terrassenmauern bildeten kunstvoll gehauene Wasserspeier.

Frauengasse mit Frauentor
Typischer Eingang mit Terrasse, Treppe und Wasserspeiern
Frauentor - Durchgang zur Altstadt

Nach wenigen Minuten durchquerten wir ein weiteres Tor, das Frauentor (einziges erhaltenes historisches Tor) und fanden uns an der Uferpromenade der Mottlau wieder, an der das Krantor stand. Hier teilte sich unsere Gruppe, weil einige nicht mehr laufen wollten. Sie schlenderten langsam zurück zum Bus. Die anderen ließen sich jedoch von Jan Klatt zum Tor führen. Es handelte sich ja nur um einige hundert Meter, die zusätzlich zurückgelegt werden mussten.

 

 


 

Das Krantor ist das wohl bekannteste Tor in Danzig, welches in die Altstadt führt. Die Bezeichnung kommt von der Hebevorrichtung im oberen Bereich des Gebäudes. Das ursprüngliche Tor stammte aus dem 14. Jahrhundert das später umgebaut wurde. Die hölzerne Krankonstruktion brannte im Zweiten Weltkrieg ab und wurde danach originalgetreu wiederaufgebaut.

Krantor und Uferstraße

Nachdem wir an einem der Wahrzeichen der Stadt genug Fotos gemacht und von Jan Klatt die Hintergrundinformationen erhalten hatten, machten auch wir uns auf den Weg zurück zum Bus. Die anderen hatten es sich schon im Gefährt gemütlich gemacht und erwarteten uns bereits. Der eine oder andere Städtewanderer hatte schon eine Flasche Bier in der Hand.

 
Blick über die Mottlau  

Nachdem sich auch der letzte, der Reisegruppe mit einem Aufstöhnen in seinen Sitz fallen gelassen hatte, ging die Fahrt über die Schnellstraße wieder in südliche Richtung. Vorbei ging es wieder an blühenden Rapsfeldern und den stark angeschwollenen Flussläufen.

 


 

Weg zum Restaurant in Elblag
Nach dem Abendessen

Gegen Abend kamen wir in Elblag an, wo wir ein Restaurant aufsuchten, um uns dort nach dem Essen von Jan Klatt zu verabschieden. Dies war der letzte Ausflug, auf dem uns Jan Klatt als Reiseführer zur Seite gestanden hatte. Wir erzählten ihm davon, dass wir am nächsten Tag eine Schiffsfahrt auf dem Oberländischen Kanal vor uns hatten. Danach wurde klar, dass Jan Klatt die Schiffsleute kannte und ließ ihnen über uns schöne Grüße ausrichten.

Angestrahlte Kirche von Elblag bei Nacht
Ankunft am Herrenhaus

Elblag war auch bei Nacht sehenswert und die angestrahlten Kirchtürme wirkten auf ganz andere Weise. Nach fast einer Stunde Fahrt waren wir zurück am Herrenhaus. Inzwischen war es schon so spät geworden, dass sich manche gleich in ihr Zimmer verabschiedeten. Andere machten es sich jedoch gemütlich wie an den Abenden zuvor.

 

Tag 6 - Oberländischer Kanal >>>

 

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